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Auch heute hat ein Viertel der Weltbevölkerung noch keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, und 80 % der Abwässer gelangen ungeklärt in den Wasserkreislauf. Hieraus resultierende Krankheiten kosten 800.000 Menschen weltweit das Leben. Laut dem UN-Weltwasserbericht ist damit zu rechnen, dass der weltweite Trinkwasserbedarf bis zum Jahr 2030 das Angebot um 40 % übersteigen wird. Die Gründe hierfür sind unter anderem Verschwendung, Übernutzung in Landwirtschaft und Industrie, Verunreinigung, unzureichendes Recycling und mangelnder Schutz von Süßwasser-Ökosystemen. Die Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, die unter anderem „Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle“ bis zum Jahr 2030 fordert (ODD Ziel Nr. 6), wird zudem durch den Klimawandel erschwert.

Vom 22. bis 24. März 2023 fand die UN-Weltwasserkonferenz statt, die erste seit fast 50 Jahren. Mit einem neuen Aktionsprogramm soll der Zugang zu sauberem Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene für alle gewährleistet werden. Wie steht es vor diesem Hintergrund mit dem Recycling von Abwasser? Kann Wasserrecycling zur Lösung des Problems beitragen?

Unser Trinkwasser stammt zu einem wesentlichen Teil aus dem Grundwasser (in Frank-reich zu zwei Dritteln), der Rest wird Oberflächengewässern (Flüssen, Talsperren) entnommen. Beide werden durch Niederschläge gespeist.

In Frankreich werden lediglich 0,6 % der Abwässer recycelt, und wiederaufbereitetes Wasser ist ausschließlich für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen (von nicht für den menschlichen Genuss vorgesehenen Produkten) zugelassen, für Golfplätze, Parks und Grünflächen. In Kalifornien oder Singapur hingegen werden Abwässer wiederaufbereitet und anschließend „frischem“ Wasser beigemischt und für den menschlichen Verzehr wiederverwendet. Länder wie Australien oder Namibia recyceln bereits bis zu 4 % ihrer Abwässer, doch in Europa hat bislang kein einziges Land Systeme für eine Nutzung in privaten Haushalten eingerichtet. Hier liegt ein Teil des Problems.

Bevor wir das Recycling von Abwässern betrachten, jedoch zunächst ein Blick auf die Aufbereitung von Frischwasser:

Nachdem Wasser der Natur entnommen wurde, wird es behandelt, anschließend in Leitungen zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern geleitet und nach der Nutzung wieder dem Wasserkreislauf zugeführt.

Die Art der Behandlung ist dabei abhängig von der Qualität des entnommenen Wassers: Während Grundwasser bereits eine Filterung durch die Sedimentschichten durchlaufen hat und daher nur einen kurzen Aufbereitungsprozess erfordert (Filtration und Entkeimung), kommen für Oberflächenwasser physikalisch-chemische Verfahren zum Einsatz: einfache Verfahren wie die Entkeimung durch Chlor oder Ozon, gegebenenfalls ergänzt durch aufwändigere Verfahren (Aktivkohle- oder Membranfilter).

Hier eine Übersicht über die typischen Phasen der Wassergewinnung (Quelle: Compagnie des eaux).

1) Entnahme des Wassers
Entnahme und Leitung zum Wasserwerk

2) Rechen
Entfernung von groben Verunreinigungen in einer Rechenanlage

3) Sieben
Entfernung von kleineren Verunreinigungen (Sand, Algen etc.) in einer Siebanlage

4) Flockung/Fällung
Einsatz von Flockungsmitteln, um Feststoffpartikel zu Flocken zu vereinen. So werden 90 % der Schwebstoffe abgeschieden.

5) Filtration
Ausfiltern von noch vorhandenen, nicht sichtbaren Partikeln mit Hilfe von klassischen Filtern (Sandfilter) oder Aktivkohlefiltern (Granulat oder Pulver).

6) Entkeimung/Ozonierung
Abtöten von Viren und Krankheitserregern und Zuführung von Ozon. Bisweilen wird auch UV-Strahlung verwendet.

7) Weitere Behandlung
Adsorption von Aktivkohle Behandlung zur Entfernung organischer Substanzen und zur Verbesserung des Geschmacks, des Geruchs und der Reinheit

8) Chlorierung
Zugabe einer minimalen Menge an Chlor zum Erhalt der Wasserqualität während des Weitertransports durch die Rohrleitungen bis zu den Entnahmestellen

9) Speicherung
Nach der Aufbereitung wird das Trinkwasser in Wasserspeicher geleitet, aus denen es anschließend ins unterirdische Leitungssystem eingespeist wird und zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern gelangt.

Die Klärung von Abwässern hingegen hat als einziges Ziel, die natürliche Umgebung, in die die Einleitung erfolgt, nicht zu verunreinigen. Auch wenn diese Abwässer vor der Klärung nicht für den menschlichen Genuss geeignet sind: Nach der Behandlung sind sie es.

Die ersten beiden Schritte 1) Rechen/Sieben und 2) Fällung sind dieselben wie oben beschrieben; anschließend durchläuft das Wasser folgende Prozesse (Quelle: Meuse Grand Sud):

3) Biologische Behandlung durch Aktivschlamm: Durch alternierende Belüftung und Stabilisierung werden Abfallstoffe im Wasser mit Hilfe von Bakterien und Mikroorganismen abgebaut und im Klärschlamm gesammelt, wobei auch Methan und Kohlenstoffdioxid anfallen.

4) Klärung: Schlamm und Wasser werden getrennt, das nun zu 90 % gereinigte Wasser wird anschließend erneut in die natürliche Umgebung eingeleitet.

5) Schlammbehandlung: Der angefallene Primärschlamm wird gefiltert und entwässert, um die organischen Partikel zu konzentrieren und den Schlamm leichter transportieren und verwerten zu können.

Source : Meuse Grand Sud

Neben dem Problem der zunehmenden Wasserverschmutzung stellen sich auch technische und wirtschaftliche Herausforderungen:

Um eine gleichbleibende Qualität des Trinkwassers zu gewährleisten, sind immer aufwändigere Behandlungsverfahren notwendig. Grund dafür ist die immer weiter zunehmende Verschmutzung durch
• Industrieabwässer (chemische Substanzen), landwirtschaftliche Abwässer (Exkremente, Pestizide), Haushaltsabwässer (Toiletten, Reinigungsmittel, Farben, Öle, Kohlenwasserstoffe) oder unbeabsichtigte Einleitungen.
• Einleitung von ungeklärten Abwässern ins Meer aufgrund von Überlastungen der Leitungssysteme: So sind z. B. die überalterten Systeme im Vereinigten Königreich für zahlreiche Einleitungen in den Ärmelkanal und die Nordsee verantwortlich – bis zu 200 jährlich...

Der Ausbau von Abwasserrecycling ist eine Antwort auf die Wasserkrise, die so vielversprechend ist, dass sie im UN-Aktionsplan festgehalten wurde. Als weiteren Vorteil würde sie die Verschmutzung der Gewässer verringern.

Die Möglichkeiten in diesem Bereich sind längst noch nicht ausgeschöpft: Ein weitere denkbare Option ist z. B. die Trennung und Verwertung von menschlichen Ausscheidungen. Während sie für die Gewässer eine Belastung darstellen, sind sie für die landwirtschaftliche Nutzung eine Ressource. Der enthaltene Stickstoff und Phosphor, der bislang das Algenwachstum im Wasser fördert, könnte stattdessen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen zugutekommen. Diese Lösung würde zwar Toiletten mit getrennten Systemen erfordern, doch angesichts der Verdreifachung der Preise für Stickstoffdünger ist auch diese Option nicht mehr abwegig.

Redaktionsschluss: 28. März 2023.