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Markowitz, Dividendenaktien und das 4-2-3-1 System

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Lutz Overlack
Head of Sales (DACH)

Wer beim Lesen der Überschrift das 4-2-3-1 System mit Fußball assoziiert, liegt richtig. Wer bei „Markowitz“ an die moderne Portfoliotheorie denkt, ebenfalls. Wer aber glaubt, mit dem Autor ging es nunmehr geistig dahin, da er ein Fußballsystem, die moderne Portfoliotheorie und Dividendenaktien in einem Atemzug erwähnt, liegt (hoffentlich) falsch.

Die Aufstellung entscheidet

Die ursprünglich aus dem US-Sport stammende Weisheit „Offense wins games, defense the Championship“ übernahm einst bspw. Jupp Heynkes, um seine Grundhaltung bei der Ausbildung seiner Mannschaften zu erläutern. Der Erfolg gab ihm recht.

Inzwischen ist es im Fußball gang und gäbe mit ein oder zwei sog. „Sechsern“ zu agieren. Dies sind defensive Mittelfeldspieler, die als Absicherung vor der Abwehr spielen. Wenn man so möchte, übernehmen sie den Part des Liberos, nur vor und nicht hinter der Abwehr. Das hat einen elementaren Vorteil. Sie können aus der defensiven Grundausrichtung bei Balleroberung sofort umschalten und das Angriffsspiel einleiten, da man einen (oder zwei) Mittelfeldspieler mehr zur Verfügung hat. Und da sie auf dem Feld weiter vorne positioniert sind, besteht auch die Möglichkeit, sich aktiv in das Angriffsgeschehen einzubringen.

Ihnen kommt also eine Doppelrolle zu. Sie sind die erste defensive Verteidigungslinie und oftmals Gleichzeit der Ausgangspunkt für das Umschalten auf die Offensive. Gleiches gilt -auf der Aktienseite- auch für qualitativ hochwertige Dividendentitel.

Markowitz hingegen, entwickelte die Moderne Portfoliotheorie, für der er 1990 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Die Markowitz’sche Theorie ist in Teilen nicht unumstritten, gilt aber in Gänze als gesichert. Ableiten kann man sicherlich aus der Theorie, dass Diversifikation und die Mischung aus riskanteren und weniger riskanteren Wertpapieren zu einem deutlich effizienteren Portfolio, bzw. einem Portfolio mit einem besseren Risiko-/ Renditeprofil führen.

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Offensive dominiert

Womit wir wieder beim Thema wären. Sieht man zurück auf das Jahr 2008, stellt man fest, dass seither die Offensive dominiert. Einigen Gegenangriffen (um im Bild zu bleiben) sah man sich ausgesetzt (2011, 2016 und 2020 bspw.) aber grundsätzlich dominiert die Offensive, sprich die Märkte kennen nur eine Richtung: Nach oben. Ein Fußballkommentator würde vielleicht davon sprechen, „dass sich die Mannschaft in der gegnerischen Hälfte festgesetzt hat“.

Ein vielzitierter Grund hierfür ist sicher die expansive Geldpolitik, die die Märkte mit ihren unkonventionellen Methoden regelrecht „dopt“. Das bedeutet aber auch, dass Marktteilnehmer, die sich seit 10 Jahren mit dem Wertpapiermarkt beschäftigen, auch nur diese eine Richtung kennen. Das führ in mancherlei Hinsicht zu Auswüchsen, die den Autor vielfach an Denkmuster und Verhaltensweisen rund um die Jahrtausendwende erinnern.

Defensive nicht vernachlässigen

Bemühen wir in diesem Artikel letztmalig den Vergleich zum Fußball. Fußball ist bekanntermaßen ein Ergebnissport, bei dem letztendlich das Endergebnis zählt, sonst nichts. Wir erinnern uns alle an Spiele von Mannschaften, die dominant auftraten, viele Chancen kreierten, aber den Treffer nicht erzielten. Jetzt kommt wieder der Kommentator ins Spiel, der dann gern prophezeit, „wenn sich das nicht einmal rächt“. Und häufig genug tat es das in der Vergangenheit.

Ähnliches kann man auch von der Allokation eines langfristig ausgerichteten Portfolios sagen. Man konnte in den letzten Jahren wenig falsch machen, wenn auf ein offensiv ausgerichtetes Portfolio gesetzt hat. Dies mag auch noch einige Zeit so weitergehen, wir wissen es nicht. Gewiss ist aber, wenn die Märkte (was auch immer der Auslöser sein mag) sich drehen und nachgeben, werden offensive Titel überproportional leiden.

Hat man das Portfolio in Gänze offensiv ausgerichtet, wird das also bei einer größeren Korrektur zwangsweise den Leidensdruck merklich erhöhen. Einleuchtend ist es also, selbst in ein 100%iges Aktienportfolio ein defensiveres Element zu integrieren, welches einen gewissen Schutz bei fallenden Märkten bietet. Klassisch kann man hierbei auf solide und qualitativ hochwertige Unternehmen zurückgreifen, die Dividenden zahlen.

Der Grund liegt darin, dass Dividenden eine reale Ausschüttung für das Unternehmen darstellen und die Aktionäre unmittelbar am Geschäftserfolg beteiligen. Gemeinhin unterstellt man dividendenzahlenden Unternehmen eine gewisse Solidität und Robustheit ihres Geschäftsmodells, da sie ansonsten nicht in der Lage wären, Dividenden zu zahlen. Was üblicherweise aus dem Jahresüberschuss erfolgt.

Zudem darf die Dividenenkomponente am Erfolg der langfristigen Performance nicht vergessen werden, wenn man sie reinvestiert. Wer sich das nochmals vor Augen führen möchte, dem sei ein Chartvergleich zwischen dem gleichen Aktienindex als Kurs- und Performancevariante empfohlen.

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Raus kommen sie alle

Nun wird der ein oder andere Leser dieses Artikels sagen, dass man bei ersten Anzeichen einer deutlichen Korrektur doch sein Portfolio glattstellen (oder zumindest spürbar die Aktienquote reduzieren) kann und in Ruhe an der Seitenlinie wartet, bis sich die Märkte wieder beruhigt haben, um dann erneut einzusteigen.

Dies ist ein fataler Trugschluss, denn

  • wann sind die ersten Anzeichen einer Korrektur zu sehen? Bei -5%, bei -10%?
  • Wie definiert man Korrektur und wie „Crash“?
  • Woran erkennt man eine deutliche Korrektur (Crash)? Am Ausverkauf? Ab wann ist es ein Ausverkauf?
  • Ist es nicht schon zu spät, wenn der Ausverkauf begonnen hat?
An diesen Überlegungen gibt es einiges zu bemängeln, denn die Risikoreizschwelle ist bei jedem Anleger anders. Manche werden bei -5% „nervös“, andere erst später.

Eine allgemeingültige Definition zu einer „Korrektur“ oder eines „Crashs“ gibt es nicht. Zumindest -und das ist das fatale- nicht während eines solchen Ereignissen. Man weiß schließlich nicht, wann es endet.

Und selbst wenn man den Ausstieg aus den Märkten einigermaßen „timen“ könnte (bspw., wenn man sich strikte Stopp-Losses eingezogen hat), steht man vor dem nächsten Problem; nämlich: Wann geht man wieder zurück in die Märkte?

Insbesondere hier zeigt die Vergangenheit oft sehr schmerzlich, dass der Wiedereinstiegszeitpunkt -und das auch von Profis- in bemerkenswerter Regelmäßigkeit deutlich verpasst wurde. Und damit auch die Möglichkeit des Portfolios, sich bereits in der Frühphase des Aufschwungs wieder (deutlich) zu erholen.

Ein weiteres klassisches Verhaltensmuster ist es, nach der ersten Erholung der Märkte auf eine erneute Korrektur zu setzen und abwartend zu agieren. Häufig ist das dann der nächste Fehler, der den ersten potenziert. Laufen die Märkte weiter, „verschenkt“ man erneut die Möglichkeit der Partizipation am Marktaufschwung.

Und seien wir einmal ehrlich, auch wenn viele vom antizyklischen Verhalten sprechen, fehlt es ebenso Vielen am Mut, nach deutlichen Verlusten wieder rechtzeitig „einzusteigen“. Das ist nichts Verwerfliches, es ist die menschliche Natur, die uns dort einen Streich spielt. Diesen Verhaltensmustern kann man nur durch langfristige Auslegung des Anlagehorizonts bei gleichzeitiger Konsequenz bei der Umsetzung gesicherter Erkenntnisse begegnen.

Es bleibt eine Langfristbetrachtung

Resümierend bleibt festzuhalten, die alte Weisheit von der langfristigen Betrachtung der Vermögensanlage die Grundvoraussetzung bei der Vermögensanlage bildet. Ferner sollte man von Markowitz zumindest ableiten, dass die Streuung der Vermögensanlage über Assetklassen und risikoärmeren wie risikoreicheren Wertpapieren sinnvoll ist.

Darüberhinaus kann es sehr sinnvoll sein, antizyklisch zu agieren, also bspw. das Portfolio defensiver zu gestalten, obgleich die Ampeln vermeidlich noch auf „grün“ stehen. Schlimmstenfalls tut man dies zu früh und verpasst die letzten Prozentpunkte nach „oben“, verliert aber entsprechend auch weniger, wenn die Märkte sich gen Süden neigen.

Denn, vergessen wir nicht: Gewinne und Verluste sind asymmetrisch. Verliert ein Investment 50%, muss es sich von dort aus verdoppeln, um wieder bei „0“ zu sein.

Demnach könnte der jetzige Zeitpunkt geeignet sein, sich nach den defensiven Mittelfeldspielern für seine Mannschaft umzusehen.

September 2021